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Die Bedeutung des TSH-Wertes bei Schilddrüsendiagnostik: Goldstandard oder überbewertet?

Die Schilddrüse spielt eine wichtige Rolle bei zahlreichen, körperlichen Vorgängen und ihre normale Funktion ist von großer Bedeutung für eine solide Gesundheit. Dabei ist das TSH der am häufigsten getestete Marker, wenn es darum geht, Schilddrüsenerkrankungen zu diagnostizieren oder auszuschließen und wird von vielen Endokrinologen und Hausärzten seit vielen Jahrzehnten als zuverlässig angesehen.

Trotzdem gibt es Meinungsverschiedenheiten darüber, ob diese Herangehensweise ausreichend ist, um eine korrekte Diagnose und Behandlung von Schilddrüsenproblemen wie der Hashimoto-Thyreoiditis, Schilddrüsenunterfunktion oder der Schilddrüsenüberfunktion zu gewährleisten.

Denn neben dem TSH gibt es weitere wichtige Parameter für eine umfassende Diagnose, wie das fT3, fT4 und verschiedene Antikörper. In einigen Fällen kann eine ausschließliche Behandlung der Schilddrüsenstörung auf Basis des TSH-Werts unzureichend sein und nicht die gewünschten Ergebnisse erzielen. Eine ganzheitliche Betrachtung der Schilddrüsenfunktion ist daher von entscheidender Bedeutung, um eine optimale Behandlung des Patienten zu gewährleisten.

Aus Erfahrungsberichten von Betroffenen zeigt sich, dass es häufig zu Unsicherheiten und Konflikten mit dem Arzt kommt, wenn eine Schilddrüseneinstellung nach dem TSH-Wert nicht zum gewünschten Erfolg führt. Renommierte Ärzte weisen auch immer wieder darauf hin, dass eine auf den TSH beschränkte Behandlung seine eigenen Einschränkungen mit sich bringt. Es ist daher wichtig, die Schilddrüsenwerte umfassend zu bewerten und eine individuelle Behandlung des Patienten durchzuführen, um eine positive Wirkung zu erzielen.

Deshalb beschäftigen wir uns in diesem Artikel mit der Zuverlässigkeit des TSH bei Schilddrüsenerkrankungen wie der Hashimoto-Thyreoiditis und schauen uns an, wie verschiedene Schilddrüsen-Experten dieses Thema betrachten:

Die Bedeutung des TSH-Wertes bei Schilddrüsenerkrankungen

Der TSH-Wert ist ein Marker bei der Diagnose und Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen. TSH steht für Thyreoidea-stimulierendes Hormon und wird von der Hirnanhangdrüse als eine Art Steuerhormon produziert.

Es ist für die Stimulation der Schilddrüse verantwortlich, um die Hormone T3 und T4 zu produzieren. Werden die Hormone T3 und T4 im Blutkreislauf knapper, hebt die Hirnanhangdrüse den TSH-Gehalt im Blut an und signalisiert so der Schilddrüse, dass diese mehr Schilddrüsenhormone zur Verfügung stellen soll. Ein von der Norm abweichender TSH-Wert kann auf eine Fehlfunktion der Schilddrüse hinweisen und stellt sich meist folgendermaßen dar:

Ein erhöhter TSH-Wert ist ein Indikator für eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose), da der Körper versucht, die Schilddrüse zur Produktion von Hormonen anzuregen. Infolgedessen kann eine hormonelle Supplementierung notwendig sein, um das Gleichgewicht der Hormonproduktion im Körper wieder herzustellen. Eine Hypothyreose kann zu Symptomen wie Gewichtszunahme, Müdigkeit oder Kälteempfindlichkeit führen.

Ein niedriger TSH-Wert kann auf eine Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) hindeuten, da der Körper versucht, die Produktion von Schilddrüsenhormonen zu reduzieren. Eine Überfunktion kann zu Symptomen wie Gewichtsverlust, Unruhe oder Schwitzen führen. Bei einer Hyperthyreose kann eine medikamentöse Behandlung mit Thyreostatika wie Carbimazol oder Thiamazol notwendig sein, um die Hormonproduktion zu senken.

Die Entwicklungsgeschichte des TSH-Tests

In der Frühzeit der Schilddrüsenuntersuchungen wurden die Stoffwechselrate, erhöhte Cholesterinwerte und Kreatinphosphokinase gemessen, um Schilddrüsenerkrankungen festzustellen. Patienten mit erhöhtem Cholesterinspiegel wurden damals mit natürlichen Schweine- oder Rinder-Schilddrüsenhormonen behandelt, um den Cholesterinspiegel zu senken.

Bis in die 1940er-Jahre wurde die Messung der basalen Stoffwechselrate in nahezu jeder Arztpraxis erfolgreich angewendet, bevor sie von der radioaktiven Jodaufnahme als Methode zur Schilddrüsendiagnostik abgelöst wurde.

In den späten 1960er-Jahren wurde der TSH-Test eingeführt und als bevorzugte Methode zur Diagnose und Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen gepriesen. Im Laufe der nächsten 20 Jahre wurde der TSH-Test stetig verbessert und galt schließlich als unverzichtbarer Goldstandard in der Schilddrüsendiagnostik.

Jedoch ist jedem neuen Test, der im Laufe der letzten Jahrzehnte entwickelt und als unfehlbar beworben wurde, die Grenze gesetzt, dass er nicht in der Lage ist, alle Fälle einer Schilddrüsenerkrankung zu diagnostizieren. Daher kann man es nicht oft genug betonen, dass eine umfassende Diagnose und individuelle Behandlung erforderlich ist, um sicherzustellen, dass Patienten mit Schilddrüsenerkrankungen die bestmögliche Behandlung erhalten.

Warum die alleinige Schilddrüseneinstellung nach dem TSH unzureichend ist

Dr. David Derry M.D., Ph.D., ein bekannter Schilddrüsenexperte und Forscher aus British Columbia, hat in einem Interview mit Mary Shomon eine plausible Erklärung dafür gegeben, warum die Schilddrüseneinstellung allein auf Basis des TSH-Wertes sehr begrenzt ist. Dr. Derry vermutet, dass eine Ursache für diese Limitation die Empfindlichkeit der Hypophyse-Zellen ist, welche die Ausschüttung des TSH regulieren. Diese Zellen reagieren im gesamten Körper am empfindlichsten auf Schilddrüsenhormone.

Daher würde man nur die Hypophyse behandeln, wenn man lediglich den TSH als Maßstab für die Schilddrüseneinstellung nutzt. Die Hypophyse würde auf die Einnahme von Schilddrüsenhormonen positiv reagieren und den TSH-Wert senken, was dazu führen würde, dass die Schilddrüse weniger Hormone produziert. Die weniger empfindlichen Zellen im Körper würden dadurch nicht ausreichend mit Schilddrüsenhormonen versorgt werden.

Dr. Derry stellt zudem fest, dass das bloße Überwachen des TSH-Wertes dazu führen kann, dass Ärzte die Schilddrüsenhormondosis des Patienten weiter senken, auch wenn dies für den Patienten nicht gerade von Vorteil ist.

Zudem führt er in dem Interview aus, dass führende Kliniken weltweit vor Einführung des TSH-Tests ihre Schilddrüsenpatienten über 80 Jahre lang sehr erfolgreich mit Hormondosierungen zwischen 200 und 400 µg Levothyroxin behandelt haben. Im Gegensatz dazu erhalten heutzutage Patienten oft nur 100 µg Levothyroxin.

Auch die Behandlung von Schilddrüsenkrebspatienten sah bis in die 70er-Jahre ganz anders aus als heute. Die behandelnden Ärzte verabreichten ihren Patienten die maximale tolerierte Dosis an Schilddrüsenhormonen, bis erste toxische Symptome auftraten. Anschließend senkten sie die Dosis minimal, bis die Überdosierungssymptome, wie Tachykardie oder Schwitzen, verschwanden.

Dr. Derry ist aufgrund seiner Beobachtungen auch der Meinung, dass je länger keine entsprechende Hormonbehandlung stattfindet, es mit der Zeit immer schwieriger wird, die Symptome in den Griff zu bekommen. 

Einschränkungen in der Diagnostik und Therapie durch reine TSH-Behandlung

Dr. Rowsemitt und Dr. Najarian betonen, dass eine auf den TSH-Wert beschränkte Behandlung Einschränkungen in der Diagnostik und Therapie von Schilddrüsenerkrankungen mit sich bringt. Eine dieser Einschränkungen ist, dass der TSH-Wert keinen Unterschied zwischen primärer und sekundärer Schilddrüsenunterfunktion macht. Die sekundäre Unterfunktion ist eine Folge der Hypophyseninsuffizienz, die letztendlich auch zu einem niedrigen TSH-Spiegel führt.

Ein weiteres Problem bei der ausschließlichen Verwendung des TSH-Wertes ist, dass ein TSH-Mangel oder TSH-Überschuss durch eine tertiäre Hypo- oder Hyperthyreose hervorgerufen werden kann. Dies ist auf Störungen bei der TRH-Produktion im Hypothalamus oder Probleme bei der Signalübermittlung im hypothalamisch-hypophysären System (Pickardt-Syndrom) zurückzuführen.

Zusätzlich beeinflussen verschiedene Medikamente und Hormone den TSH-Wert erheblich. Beispiele hierfür sind Morphin, Heparin, Glucocorticoide, Levothyroxin, Katecholamine, Somatostatin, Octreotide, Dolasetron, Dopamin und verschiedene Nahrungsergänzungsmittel wie Biotin. Diese Einflüsse können zu einer verfälschten Beurteilung des TSH-Wertes führen und somit eine adäquate Therapie erschweren.

Ein supprimierter TSH-Wert stellt nicht immer ein Problem dar

Noch immer scheint vielen Ärzten nicht bewusst zu sein, dass Patienten, die ergänzend zu T4 auch T3 in Form von Thybon, Prothyrid, Novothyral oder natürlichen Schweinehormonen einnehmen, in etwa 95% der Fälle einen deutlich verringerten oder unterdrückten TSH aufweisen. Frühere Versionen des Beipackzettels des Schilddrüsenmedikaments Novothyral enthielten entsprechende Hinweise:

„Die Erhöhung der Schilddrüsenhormonkonzentration unter Novothyral führt über einen negativen Feed-back-Mechanismus zu einer supprimierten TSH Sekretion der Hypophyse.“ 

http://www.pharmazie.com

Auch Frau Dr. Leveke Brakebusch, Spezialistin für autoimmune Schilddrüsenerkrankungen in Konstanz, ist folgender Ansicht, wenn es um einen supprimierten TSH-Wert aufgrund von T3-Einnahme geht:

„… eine latente Überfunktion ist eine echte kontinuierlich bestehende Überfunktion – das ist etwas anderes als bei T3 Einnahme passiert. Ein erniedrigtes TSH ist kein Beweis für das Vorliegen einer Überfunktion.

Bei der Einnahme von Kombipräparaten kann der TSH z.B. supprimiert also erniedrigt sein durch eine kurzfristige T3-Erhöhung.

Leider gibt es noch kein Präparat das T3 verzögert freisetzt. Wir sehen also auch hier, ein supprimierter TSH ist keinesfalls mit einer Überfunktion gleichzusetzen, solange sich die freien Werte fT3 und fT4 in der Norm befinden.“ 

Dr. L. Brakebusch, www.ht-mb.de

Fazit

Der TSH-Test hat seine Daseinsberechtigung als Instrument zur Diagnose von Schilddrüsenerkrankungen. Der TSH-Spiegel zeigt im Optimalfall an, ob die Schilddrüse richtig arbeitet oder ob eine Hyper- oder Hypothyreose vorliegt.

Ein normaler TSH-Wert allein ist jedoch nicht immer ausreichend, um die Diagnose einer Schilddrüsenerkrankung zu stellen. Es ist wichtig, auch die anderen Schilddrüsenhormone wie T3 und T4 zu überprüfen, um ein vollständigeres Bild der Schilddrüsenfunktion zu erhalten.

In einigen Fällen kann ein erhöhter TSH-Wert die einzige Anomalie bei einer Schilddrüsenerkrankung sein. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass ein normaler TSH-Wert die alleinige Diagnose einer Schilddrüsenerkrankung ausschließen kann. Daher sollte bei einem Verdacht auf eine Schilddrüsenerkrankung immer eine vollständige Diagnose durch einen Facharzt erfolgen.

Die Behandlung von Schilddrüsenerkrankungen basiert nicht nur auf dem TSH-Test, sondern auch auf anderen Faktoren wie den Symptomen des Patienten, der zugrunde liegenden Ursache der Erkrankung und der eventuellen Beteiligung anderer Organe. Der TSH-Test kann jedoch dazu beitragen, den Erfolg der Behandlung zu überwachen und sicherzustellen, dass der Patient die richtige Dosis der Schilddrüsenhormone erhält.

Insgesamt hat der TSH-Wert eine klare Daseinsberechtigung bei der Schilddrüsendiagnostik und -behandlung. Allerdings sollte man sich bewusst sein, dass ein einzelner TSH-Wert nicht ausreicht, um eine Schilddrüsenerkrankung zu diagnostizieren oder allein zu behandeln. Eine umfassende Diagnose und Behandlung durch einen Facharzt ist unerlässlich.

Quellenangaben

Ling C, Sun Q, Khang J, Felipa Lastarria M, Strong J, Stolze B, Yu X, Parikh TP, Waldman MA, Welsh K, Jonklaas J, Masika L, Soldin SJ. Does TSH Reliably Detect Hypothyroid Patients? Ann Thyroid Res. 2018;4(1):122-125. Epub 2018 Feb 20. PMID: 29541701; PMCID: PMC5847294, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5847294/, Zugriff am 12.06.2023

Umfrage Betroffener Patienten zum Befinden und Angabe der jewiligen Schilddrüsenparameter: HT-MB-Forum von Frau Dr- Brakebusch, https://www.ht-mb.de/forum/showthread.php?1190274-Wie-ist-Euer-TSH-und-Befinden/page7, Zugriff am 12.06.2023

David M. Derry M.D., Ph.D.: Rethinking the TSH Test and why the TSH test needs to be abandoned, https://www.tpauk.com, Zugriff am 12.06.2023

Dr. John C. Lowe: “TSH is Not the Answer,” report Dr. Carol Rowsemitt and Dr. Thomas Najarian: Their explanation and verification, https://www.drlowe.com/thyroidscience/editorials/editorials/rowsemett.najarian.7.25.11.htm, Zugriff am 12.06.2023

Carol N. Rowsemitt, PhD, RN, FNP and Thomas Najarian, MD: Thyroid Science 6(4):H1-16, 2011: TSH is Not the Answer: Rationale for a New Paradigm to Evaluate and Treat Hypothyroidism, Particularly Associated with Weight Loss, https://www.drlowe.com/thyroidscience/hypotheses/rowsemitt.najarian.H.6.11/rowsemitt.najarian.6.11.htm, Zugriff am 12.06.2023

Die Erhöhung der Schilddrüsenhormonkonzentration unter Novothyral führt über einen negativen Feed-back-Mechanismus zu einer supprimierten TSH Sekretion der Hypophyse, Beipackzettel Novothyral, https://www.pharmazie.com/graphic/A/64/0-15364.pdf, Zugriff am 12.06.2023


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