Wer unter der Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis leidet, hat es ohnehin schon schwer. Doch die fast schon chronische Unterversorgung mit den nötigen Schilddrüsenhormonen hat unglaublich extreme Auswirkungen auf die Psyche. Was Sie dazu wissen und beachten sollten, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Es ist sicher nicht schwer nachzuvollziehen, wenn ich die Behauptung aufstelle, dass Hashimoto-Thyreoiditis-Patienten sehr häufig psychische Probleme haben. Doch wer nicht unter dieser Krankheit leidet und vielleicht zu wenig darüber weiß, wird sich das nur schwer vorstellen können. Aber es ist leider eine Tatsache: Diese Autoimmunerkrankung macht auch die Seele krank.
Denn wenn man bedenkt, dass die kleine Schilddrüse einen so großen Einfluss auf den menschlichen Organismus hat, bleibt es nicht aus, dass auch die Psyche etwas abbekommt. Denn die in der Schilddrüse produzierten Hormone nehmen schließlich nicht nur auf unser Herz-Kreislauf-System oder unsere Verdauung Einfluss, sondern auch auf das Wachstum, die Aktivierung des nervlichen Stoffwechsels und der Gehirnaktivität.
Doch sehr häufig werden entweder Hashimoto-Thyreoiditis-Betroffene von unwissenden Ärzten abgewiesen oder gar verkannt. Oder gleich als psychisch Erkrankter zu einem Spezialisten überwiesen, der dann natürlich ebenso einen falschen Behandlungsansatz hat.
Zum Einen liegt das daran, dass es leider immer noch zu wenige Mediziner gibt, die diese Autoimmunerkrankung gleich erkennen und diagnostizieren können. Auf der anderen Seite gibt es viele Symptome, die nicht nur auf Hashimoto-Patienten zutreffen, sondern in erster Linie im psychosomatischen Bereich angesiedelt sind.
Warum führt Hashimoto-Thyreoiditis so oft zu Fehldiagnosen?
Durch die Autoimmunerkrankung Hashimoto-Thyreoiditis kommt es zu einer Schilddrüsenunterfunktion, der Hypothyreose. Man spricht hier auch von einer Funktionsstörung, denn es werden zu wenige Schilddrüsenhormone produziert.
Doch jede Störung wirkt sich negativ auf das ganze System aus. Das ist nicht nur bei einem kaputten Auto oder einer fehlerhaft arbeitenden Waschmaschine so, sondern eben auch bei uns Menschen mit dem wohl kompliziertestem System überhaupt.
Es ist nachgewiesen, dass das Schilddrüsenhormon Einfluss auf psychische Vorgänge hat. Anders ausgedrückt könnte man hier auch sagen, dass dieses Hormon Eigenschaften besitzt, welche das seelische Gleichgewicht beeinflussen kann.
Kommt es also hier aufgrund einer Störung zu einer Veränderung, weil eben zu wenig von diesem Hormon produziert wird, kommt es logischerweise auch zu einer Wesensveränderung und Stimmungsschwankungen bei dem oder der Betroffenen.
Hashimoto-Thyreoiditis-Betroffene leiden an einer Schilddrüsenunterfunktion, welche sich wie folgt auswirken kann:
- Es kommt häufig zu einer unerklärlichen Weinerlichkeit oder auch depressiven Gefühlslagen
- Die Reizbarkeit steigt und Betroffene haben das Gefühl, dass alles zu viel wird
- Es kommt immer öfter zu Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
- Die Betroffenen fühlen sich oft regelrecht benommen und müde, ausgepowert
- Die Betroffenen neigen zu einer gesteigerten Nervosität und sind besonders schreckhaft
- Eine übermäßige Ängstlichkeit prägt sich aus und mündet in regelrechten Panikattacken
- Es kommt zu massiven Schlafstörungen
Ohne die Schilddrüsenwerte zu kennen oder gar von der Autoimmunerkrankung des Betroffenen zu wissen, ist bei diesen Symptomen wohl jeder geneigt, erst einmal an eine psychische Erkrankung zu glauben.
Hinweis: Doch bei einer Schilddrüsenerkrankung treten diese psychischen Symptome aus hormonellen Gründen auf.
Gegenüberstellung der psychischen Symptome bei Depression, Angstzuständen und Hashimoto-Thyreoiditis
Um noch einmal zu verdeutlichen, wie leicht die psychischen Merkmale miteinander verwechselt werden können, habe ich die folgende Gegenüberstellung auf der Grundlage des Internationalen Diagnoseschemas der Weltgesundheitsorganisation (ICD-10) aufbereitet:
Hashimoto-Thyreoiditis | Depression | Angstzustände |
depressive Stimmungslagen | depressive Stimmung | Schweißausbrüche |
weinerlich | mangelndes Interesse | Zittern (Tremor) |
leicht reizbar | Antriebslosigkeit | trockene Schleimhäute im Mund |
Konzentrationsstörungen | schnelle Ermüdung | Atembeschwerden |
Gedächtnisstörungen | verminderte Konzentrationsfähigkeit | Beklemmungsgefühl |
Benommenheit | geringes Selbstwertgefühl | Schmerzen in der Brust |
gesteigerte Nervosität | pessimistische Ansichten | Übelkeit und Schwäche |
übermäßige Ängstlichkeit | suizidales Verhalten | Schwindelgefühl |
Panikattacken | Schlafstörungen | Angst vor Kontrollverlust |
Schlafstörungen | morgendliches Stimmungstief | unbegründete Todesangst |
deutlicher Appetitverlust | Hitzewallungen im Wechsel mit Kälteschauern | |
Gewichtsverlust | Allgemeine Ängste | |
Libidoverlust |
Wie man sieht, gibt es hier eindeutige Überschneidungen. So ist es oftmals nicht verwunderlich, dass gerade zu Beginn der Hashimoto-Thyreoiditis die psychischen Auswirkungen schlicht und ergreifend falsch interpretiert werden.
Zudem können die psychischen Symptome bereits dann auftreten, wenn die körperlichen Beschwerden, die bei Hashimoto auftreten, noch gar nicht als solche vollumfänglich wahrgenommen werden.
Gehören Sie eventuell zu jenen Menschen, die auf eine diagnostizierte Depression behandelt werden? Dann kann ich Ihnen nur raten, Ihre Schilddrüse untersuchen zu lassen. Denn das Tückische an Hashimoto ist es nach wie vor, dass diese Erkrankung viel zu oft viel zu spät als solche erkannt und behandelt wird.
Haben Sie indes die Vermutung, dass Sie an dieser Autoimmunkrankheit leiden, dann lassen Sie sich nicht abweisen. Gerade Frauen im fortgeschrittenen Alter werden auch schnell in die Schublade mit den Wechseljahren-Beschwerden gesteckt.
Streben Sie eine Schilddrüsenuntersuchung an und lassen Sie einen Antikörper-Test machen. Vermutlich wird es Ihnen auch passieren, dass Sie dabei in so mancher Arztpraxis entweder auf taube Ohren stossen und abgewiesen werden. Lassen Sie sich davon nicht abschrecken und gehen Sie einfach zum nächsten Arzt.
Ich weiß selbst aus eigener Erfahrung, dass das unter Umständen ein langer Weg sein wird und nicht immer lustig ist. Doch am Ende ist es für Sie wichtig, dass Sie die Behandlung bekommen, die Sie tatsächlich brauchen. Sie und ich sind damit übrigens nicht allein.
Denn auch die bekannte TV-Moderatorin Vanessa Blumhagen ist nach eigenen Angaben mehrmals nicht weiter behandelt worden. Sie ließ aber sich nicht abwimmeln und gab sich nicht mit der Diagnose „Es kommt von der Psyche“ zufrieden.
Hinweis: Im Übrigen wird es Frauen weitaus häufiger unterstellt, dass sie an einer psychischen Erkrankung leiden. Denn sie werden immer noch als psychisch labiler als Männer eingeschätzt.
Welche Besonderheiten gibt es bei den psychischen Auswirkungen, die hormonell bedingt sind?
Im Gegensatz zu „echten“ psychischen Erkrankungen und deren Symptomen werden Sie als Hashimoto-Thyreoiditis-Patient die Auswirkungen in diesem Bereich als besonders schwankend empfinden.
Denn während ein psychisch Kranker bei einer Depression beispielsweise immer die gleichen Symptome aufweist, kommt es bei einer Hashimoto immer wieder zu einem widersprüchlichen Wechsel der Symptome.
Teilweise kann sich das innerhalb eines Tages stark ändern. So ist es nicht untypisch, dass ein ansonsten selbstsicherer Manager, der an Hashimoto-Thyreoiditis erkrankt ist plötzlich zum weinerlichen kleinen Mann wird, der sich am liebsten vor aller Welt verstecken würde.
Dies geschieht aber nur in einem neuerlichen Schub der Krankheit. Diese Wesensveränderung ist also nur vorübergehend. In der nächsten Phase der Schilddrüsenunterfunktion kann es durchaus auch sein, dass dieser Mann dann eher gereizt oder übermäßig nervös auf eine bestimmte Situation reagiert.
Was kann man tun, wenn Hashimoto-Thyreoiditis die Psyche krank macht?
Befinden Sie sich im Bezug auf die Hashimoto bereits in ärztlicher Behandlung, brauchen Sie im Grunde genommen nicht viel zu tun. Denn üblicherweise verlieren sich die psychischen Auswirkungen, sobald Hashimoto-Thyreoiditis behandelt wird.
Das bedeutet, dass Sie wahrscheinlich zunehmend weniger dieser psychischen Symptome spüren werden, je weiter fortgeschritten die Hormonbehandlung bei Ihnen ist. Doch Sie können natürlich Ihre Hormontherapie, wie sie bei der Autoimmunerkrankung notwendig ist, unterstützen, indem Sie:
- Ihrem Körper zusätzlich Heilpflanzen wie zum Beispiel Melisse, Baldrian, Hopfen, Johanniskraut, Lavendel, Passionsblume oder auch Rosenwurz zuführen
- auf eine ausreichende Versorgung mit Nährstoffen wie Magnesium, Eisen und Vitamin B-Komplex achten
- eine effektive Entspannungstechnik wie beispielsweise Yoga, Qi Gong, autogenes Training oder progressive Muskelentspannung erlernen und regelmäßig anwenden
Wie lange dauert es, bis die psychischen Auswirkungen wieder nachlassen?
Auch wenn Hashimoto-Thyreoiditis die Psyche tatsächlich richtig krank machen kann, werden die Symptome wieder nachlassen. In aller Regel geschieht das dann, wenn die Einstellung auf das Schilddrüsenhormon abgeschlossen ist und sich Ihre Werte in dieser Hinsicht etwas stabilisieren.
Doch wie Sie sicher wissen, dauert es seine Zeit, bis die richtige Einstellung gefunden ist. Aber Sie müssen sich auch darüber im Klaren sein, dass es selbst dann noch einige Zeit braucht, bis die psychischen Auswirkungen tatsächlich nachlassen.
Was ich damit sagen will: Es kann durchaus sein, dass Ihr Arzt Ihnen anhand Ihrer Blutwerte bestätigt, dass Sie nun optimal auf Ihr Schilddrüsenhormon eingestellt sind. Doch Ihre Weinerlichkeit, Ihre Erschöpfungszustände oder auch Ihre Gereiztheit erstmal bleiben.
An dieser Stelle wäre es eher unsinnig, deswegen noch einmal an der Einstellung des Hormons etwas zu verändern. Auch wenn es Ihnen vielleicht schwer fällt, doch es ist Besserung in Sicht. Nur Geduld! Geben Sie Ihrem Körper einfach die Zeit, die er braucht, um sich an die Dosierung des Schilddrüsenhormons zu gewöhnen.
Wichtig: Halten die psychischen Probleme trotz einer langen und mehrmonatigen Behandlung an, sollten Sie selber einen Blick auf Ihre Schilkddrüsenhormonwerte werfen.
Viele Ärzte richtigen sich lediglich nach dem TSH und gehen von einer guten Hormoneinstellung aus, vernachlässigen aber oft die freien Schilddrüsenhormone fT3 und fT4. Diese führt nicht gerade selten zu einer zu niedrigen Hormoneinstellung und entsprechenden Beschwerden.
Detaillierte Informationen dazu finden Sie in dem Artikel „Mythos TSH: Ein Blutwert, der bis heute stark überbewertet wird“ und unserem „fT3 / fT4 Werterechner: Schilddrüsenwerte in Prozent umrechnen“.
Fazit
Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass eine endokrine Erkrankung, zu denen auch Hashimoto-Thyreoiditis zählt, psychische Symptome hervorrufen kann. Oftmals schon lange bevor man überhaupt körperliche Beschwerden der Autoimmunerkrankung spürt.
Da diese psychischen Auswirkungen aber hormonell bedingt sind, gehören sie natürlich nicht zu den herkömmlichen psychischen Krankheitsbildern und müssen demzufolge auch nicht in dieser Art behandelt werden.
Durch die Schilddrüsenhormon-Therapie, wie sie Hashimoto schlussendlich durchgeführt wird, klingen auch die psychischen Beschwerden nach und nach wieder ab. Es besteht also kein zusätzlicher Therapiebedarf.
Allerdings ist die Diagnose Hashimoto-Thyreoiditis Voraussetzung. Erfahrungsgemäß wird diese Autoimmunerkrankung häufig aber zu spät erkannt, weswegen es sehr häufig auch zu entsprechenden psychischen Fehldiagnosen kommen kann. Betroffene müssen sich hier auch mal gegen den behandelnden Arzt durchsetzen und auf einen entsprechenden Bluttest bestehen. Oder eben den Arzt wechseln.

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Quellenangaben
Bildquellen:
- Titelbild: © abraca_da | stock.adobe.com

ist seit 2008 selbst von der Hashimoto-Thyreoiditis betroffen und hat seither einen schweren Leidensweg hinter sich gebracht, um 2019 endlich eine deutliche Besserung seines gesundheitlichen Zustandes erfahren zu können.
Er betreibt seit mehr als 13 Jahren intensive Recherchen zum Thema Hashimoto-Thyreoiditis und schreibt hier die gesammelten Informationen und Erfahrungen für Betroffene verständlich nieder.